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#OutInChurch – Für eine Kirche ohne Angst

Das größte Coming-out in der Geschichte der Katholischen Kirche - Rainer Teuber     (April 2024)

Am 24. Januar 2022 weckte ein Paukenschlag nicht nur die katholische Kirche, sondern große Teil der bundesdeutschen Gesellschaft: Nach fast einem Jahr intensivster Vorbereitungen outeten sich 125 Mitarbeiter*innen der katholischen Kirche mit ihrer Initiative #OutInChurch als nicht heterosexuell (queer), also beispielsweise als lesbisch, schwul, bi-, trans- oder intersexuell (LSBTIQ+).

Parallel legte die ARD-Dokumentation „Wie Gott uns schuf – Coming-out in der katholischen Kirche“ eindrucksvoll die Diskriminierungserfahrungen von 100 queeren Menschen im Dienst der katholischen Kirche offen.

Queer UND katholisch – eine Bestandsaufnahme

Bisher können viele queere Menschen in ihrem kirchlichen Beruf oder Umfeld mit ihrer geschlechtlichen Identität und/oder mit ihrer sexuellen Orientierung nicht offen umgehen. Arbeitsrechtliche Konsequenzen reichen bis hin zur Zerstörung der beruflichen Existenz. Nicht wenige queere Menschen kennen Situationen, in denen Bischöfe, Generalvikare oder andere im Dienst der Kirche stehende Leitungspersonen sie aufgefordert, teils sogar genötigt haben, ihre sexuelle Orientierung und/oder ihre geschlechtliche Identität geheim zu halten. Nur dann sei ein Verbleib im kirchlichen Dienst möglich. Ein solches System der Machtausübung, des Verschweigens, der Doppelmoral und der Unaufrichtigkeit ist toxisch, es beschämt und macht (nicht nur) queere Menschen krank. Beeinträchtigt, gar beschädigt werden nicht zuletzt die persönliche Gottesbeziehung und die eigene Spiritualität.

Viele schützen Einzelne

Strategisches Ziel der beiden eingangs genannten Projekte „#OutInChurch“ und „Wie Gott uns schuf“ war das Offenlegen dieser Missstände; Nebenbedingung dafür der Schutz des Einzelnen durch Herstellen von Öffentlichkeit. Letzteres gelang: Aufgrund der relativ hohen Zahl der Mitwirkenden sind dienstrechtliche Konsequenzen bislang ausgeblieben. Der aus vielen anderen Gründen ohnehin schon starke öffentliche Druck auf die katholische Kirche wurde nochmals erhöht und forderte deren Vertreter implizit auf, sich zu positionieren. Seither überbieten sich manche Bischöfe und Generalvikare mit Dankesworten und Solidaritätsbekundungen, oft leider wenig konkret. Andere hingegen schweigen bis heute gänzlich. Wie es aber auch gehen kann, zeigen unter anderem die Bistümer Würzburg und Essen: sie sichern die Aussetzung der kirchlichen Grundordnung – also des arbeitsrechtlichen Rahmens für Beschäftigte der katholischen Kirche –  für öffentlich gelebte nicht heterosexuelle Partnerschaften und Zivilehen zu.

Wofür steht #OutInChurch?

Die Initiative #OutInChurch steht nicht außerhalb der katholischen Kirche: Das „In“ ist zentraler Teil ihres Hashtags. #OutInChurch fordert unter anderem: Queere Menschen sollen nach einem Outing in ihrer Kirche ohne Angst leben und arbeiten können. Noch lange nicht selbstverständlich: Alle kirchlichen Betätigungsfelder müssen ihnen diskriminierungsfrei offenstehen. Dies erfordert eine Änderung des kirchlichen Arbeitsrechts. Denn bislang ist ein Leben ausgerichtet an der eigenen sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität – vor allem in Form einer Partnerschaft oder Zivilehe – ein Loyalitätsverstoß. Die immer im Raum stehende Drohung mit einer Kündigung muss ein Ende finden. Diffamierende und von Theologie wie Humanwissenschaft längst überholte Aussagen der Kirchenlehre zu Geschlechtlichkeit und Sexualität gehören korrigiert. Die katholische Kirche darf LSBTIQ+-Personen und -Paaren weder den Segen Gottes noch den Zugang zu den Sakramenten verwehren.

Manifest und Kernforderungen der Initiative sind unter www.outinchurch.de in vierzehn Sprachen veröffentlicht worden. Dort besteht für jeden die Möglichkeit, sich durch Unterzeichnung einer Online-Petition inhaltlich zu solidarisieren.

Was seither geschah

Das (inter-)nationale Medienecho war und ist immens – Interviewanfragen erreichen das Presseteam von #OutInChurch auch heute noch aus ganz Europa, den USA, Kanada, Südamerika und Australien. Mindestens ebenso wichtig sind Reaktionen vor Ort, also in den Gemeinden und Pfarreien, beispielsweise in Form von Einladungen zu Schülergesprächen oder zu Diskussionsabenden in kirchlichen Laien-Organisationen. Und: Die Abstimmungsergebnisse der 3. Synodalversammlung vom Februar 2022 erteilen für die Handlungsfelder „Sexualmoral“ und „Geschlechtergerechtigkeit“ einen klaren Handlungsauftrag: Längst überfällige Reformen umsetzen, und zwar jetzt.

Anfang März 2022 tagte die Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz im oberfränkischen Wallfahrtsort Vierzehnheiligen. Mitwirkende von #OutInChurch übergaben dort eine Petition zu den Forderungen ihrer Initiative mit bis dahin 117.650 Unterschriften an den Limburger Bischof und Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Dr. Georg Bätzing. In einem persönlichen Gespräch mit ihm sicherte er unter anderem die Neufassung der kirchlichen Grundordnung bis zum Jahresende 2022 zu. Die Initiative wird sich weiterhin für die vollständige Umsetzung ihrer Forderungen einsetzen und starkmachen.

Und nun? – Synodaler Weg und Deutsche Bischofskonferenz

Der Kampagnenstart von #OutInChurch und die Ausstrahlung der Dokumentation „Wie Gott uns schuf“ fielen bewusst auf einen Zeitpunkt Ende Januar 2022. Auf diese Weise erhielt der Synodale Weg, insbesondere dessen Forum IV „Leben in gelingenden Beziehungen – Liebe leben in Sexualität und Partnerschaft“, Rückenwind für die dritte Synodalversammlung, die Anfang Februar 2022 in Frankfurt am Main stattfand.

Das Debakel

In der vierten Synodalversammlung (8. – 10. September 2022) wurden wesentliche Grundtexte und Handlungsempfehlungen gelesen und gelangten zur Abstimmung. Die debattierten Texte berührten unmittelbar einige Kernforderungen von #OutInChurch. Drei Mitwirkende von #OutInChurch nahmen als Synodal*innen bzw. Berater*innen auch an dieser Synodalversammlung teil. Sie erlebten – so wie die überwiegende Mehrheit der Versammlung – ein Debakel: Der Grundtext des Forums IV scheiterte an der Sperrminorität der Bischöfe, da von den 57 abgegebenen bischöflichen Stimmen 31 dafür und 22 dagegen votierten. Drei enthielten sich, andere stimmten offenbar gar nicht ab, da laut Synodalpräsidium 60 Bischöfe teilnahmen. Annähernd 40 Prozent der Bischöfe verweigerten der vorgeschlagenen Liberalisierung der katholischen Sexuallehre ihre Zustimmung und brachten damit das gesamte Reformprojekt an den Rand des Scheiterns. Auch wenn die sich aus dem Grundtext ableitenden Handlungsempfehlungen nach mehreren Krisensitzungen die notwendige Zweidrittel-Mehrheit der Bischöfe fanden, steht der Synodale Weg vor einem Scherbenhaufen. Noch ist nicht mit Gewissheit vorherzusagen, welche der bei der 5. und letzten Synodalversammlung im März 2023 verabschiedeten Beschlüsse tatsächlich umgesetzt werden.

Erfolg für #OutInChurch – Novellierung der kirchlichen Grundordnung

Mit Spannung erwartete die Initiative #OutInChurch die Vorschläge der deutschen Bischöfe zu Änderungen der kirchlichen Grundordnung. Diese wurden bei der Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofs-konferenz Anfang Oktober 2022 in Fulda beraten. Die endgültige Neufassung ist dann zum Jahresende 2022 vorgelegt und inzwischen von allen 27 Diözesen ratifiziert worden. Damit ist das kirchliche Arbeits-recht deutlich diskriminierungsfreier geworden. Bis sich diese Veränderungen in einem echten inner-kirchlichen Kulturwandel niederschlagen, wird es aber wohl noch einige Zeit dauern.

#OutInChurch und „Wie Gott uns schuf“ – Ausgezeichnet!

Die nachhaltige mediale Präsenz der Initiative #OutInChurch trägt dazu bei, dass die von ihr angestoßene wichtige Debatte nicht zum Erliegen kommt. Diverse Auszeichnungen für diese Arbeit tragen ihr Übriges dazu bei. So verlieh der Hamburger CSD-Verein der Initiative #OutInChurch im Juli 2022 den Ehren-Pride-Award.

Im Mai 2023 wurden die Preisträger*innen des Cusanus-Preises für besonderes gesellschaftliches Engagement der Stiftung Begabtenförderung Cusanuswerk ausgewählt. Angesichts der großen Zahl an qualifizierten Bewerbungen hatte die Jury entschieden, den Cusanus-Preis 2023 gleich dreimal zu vergeben.

Eine Auszeichnung erhielten Hendrik Johannemann (Altcusaner) und Burkhard Hose (Hochschulpfarrer, Würzburg) für ihr Engagement in der Initiative #OutInChurch.

Zudem bekam die Initiative #OutInChurch im Oktober 2023 den Preis der kirchlichen Reformbewegungen in Österreich, die "Trompete von Jericho" verliehen. Mit der Auszeichnung werden besondere Verdienste um die Reform der katholischen Kirche gewürdigt. Der Preis wurde in Wien an #OutInChurch-Vorstands-mitglied Jens Ehebrecht-Zumsande überreicht.

Ebenfalls ausgezeichnet wird die Initiative #OutInChurch im Mai 2024 mit dem „Rosa Courage-Preis“. Dieser wird seit 1992 jährlich im Rahmen des mittlerweile ältesten queeren Festivals in Deutschland „Gay in May“ in Osnabrück verliehen.

Die ARD-Dokumentation „Wie Gott uns schuf – Coming-out in der katholischen Kirche“ wurde im Novem-ber 2022 mit dem Katholischen Medienpreis in der Kategorie „Fernsehen“ ausgezeichnet. Bereits im September 2022 erhielt „Wie Gott uns schuf – Coming-out in der katholischen Kirche“ den Deutschen Fernsehpreis in der Kategorie „Beste Dokumentation/Reportage“.

In der "Königskategorie" des renommierten Stern-Preises, der Rubrik "Geschichte des Jahres", gewann 2023 ebenfalls die Dokumentation "Wie Gott uns schuf".

Alle Auszeichnungen belegen eindrucksvoll, dass die Kernforderungen von #OutInChurch deutlich über den (inner-)kirchlichen Kontext hinausgehen. Dass die Sensibilisierung einer breiten Öffentlichkeit für die alltägliche Diskriminierung queerer Menschen weiterhin notwendig ist, zeigen die wieder zunehmende Anzahl tätlicher Übergriffe auf LGBTIQ+-Personen leider regelmäßig.

Weitere TV-Dokumentation zum Coming Out

Nachdem 100 katholische Gläubige 2022 in der ARD-Dokumentation „Wie Gott und schuf“ ihr Coming Out wagten und die Initiative #OutInChurch die katholische Kirche mit sieben Forderungen, die für eine Kirche ohne Angst und Diskriminierung sorgen sollen, konfrontierte, fragte die Fortsetzung der Dokumentation „Wie Gott und schuf – Nach dem Coming Out“: Wie ist es den Menschen, die sich als LGBTIQ+ definieren, seit Januar 2022 ergangen? Hat sich ihre Situation verbessert? Oder sind sie weiter Diskriminierungen und Benachteiligungen ausgesetzt?

Der Film von Katharina Kühn und Hajo Seppelt zeigte im Mai 2023 auf, wo sich die katholische Kirche bewegt hat und wo nicht. Die Macher*innen dieser weiteren TV-Dokumentation blickten erneut kritisch auf die Situation queerer Menschen im Dienst der katholischen Kirche.

 

Gründung eines Vereins

Beim ersten Jahrestreffen im Januar 2023 haben mehr als 100 Mitwirkenden bei #OutInChurch einen Verein gegründet. Diese Vereinsgründung ist ein wichtiger Schritt, um das gemeinsame Netzwerk zu stärken und die Weiterarbeit für eine angst- und diskriminierungsfreie Kirche zu organisieren. Alle Menschen, denen die Forderungen von #OutInChurch am Herzen liegen, können dem Verein beitreten und dessen Arbeit unter-stützen.

 

Brückenschlag zur Politik

Für die Umsetzung ihrer Forderungen setzt der Verein #OutInChurch verstärkt auch auf Kontakte in die deutsche Landes- und Bundespolitik. So wurden im Jahr 2023 intensive Gespräche mit den queer-, kirchen- und religionspolitischen Sprecher*innen der im Bundestag vertretenen demokratischen Fraktionen geführt. Ebenso gab es Austauschtreffen im NRW-Landtag. Diese Gespräche werden zukünftig fortgesetzt.

„Fiducia supplicans - über die pastorale Sinngebung von Segnungen“

Am 18. Dezember 2023 legte das vatikanische Dikasterium für die Glaubenslehre die vom Papst gebilligte Erklärung „Fiducia supplicans“ zur Erlaubnis der Segnung von gleichgeschlechtlichen Paaren vor. In der Einleitung heißt es, die Erklärung sei ein „Geschenk an das gläubige Volk Gottes“. Zahlreiche Medien haben unmittelbar dazu getitelt: „Papst erlaubt Segnung gleichgeschlechtlicher Paare“. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass dieses „Geschenk“ eher eine „Mogelpackung“ ist, denn im Text wird exakt geregelt, wer dieses Geschenk für sich in Anspruch nehmen darf, wie es auszupacken und zu verwenden ist. Der Vatikan wird dabei kreativ und unterscheidet einen „ordentlichen“ liturgischen Segen von einer Segnung im Rahmen der Volksfrömmigkeit.

Das vatikanische Schreiben ist keineswegs eine Kurskorrektur im Blick auf die Lehre der Kirche. Die Regelungen sind eher Hinweise zur Praxis der Seelsorge. Weiterhin gilt jede Form von Beziehung und Sexualität, die nicht heterosexuell in einer sakramentalen Ehe gelebt wird, als schwere Sünde und kann nicht öffentlich gesegnet werden. Ein kirchliches Segnungsritual in einem feierlichen Gottesdienst anlässlich einer standesamtlichen Trauung ist nach wie vor nicht vorgesehen. Dies unterläuft jedoch die Intention von Segnungen von Menschen in ihren gemeindlichen Kontexten, denn Segen ist nicht für die stille Kammer gemeint. Was zunächst wirkt wie ein Ja, ist ein Nein. Die klare Absage an die Erstellung liturgischer Vorlagen und Formulare durchkreuzt die Bemühungen um klare liturgische Formen und eine entsprechende Gestaltung, die in der Umsetzung der Beschlüsse des Synodalen Weges in Deutschland bereits weit fortgeschritten sind.

Mit diesem „Geschenk“ verhält es sich also eher so, als hätte man sich ein Paar schöne Schuhe gewünscht, dann aber doch nur ein Paar selbstgestrickte Socken bekommen.

Immerhin aber ist „Fiducia supplicans“ ein deutliches Signal des Papstes an all diejenigen, die jede Diskussion über eine Weiterentwicklung der Sexualmoral strikt ablehnen und schon in dieser Form der Segnung den Untergang des Katholizismus vermuten.

Am 3. Januar 2024 stellte der Vatikan dann klar, dass die Segnung eines gleichgeschlechtlichen Paares nur „wenige Sekunden“ dauern solle. Es bleibt also dabei, dass queere Menschen nach wie vor als „Betriebs-unfall“ der Schöpfungsgeschichte betrachtet werden. Die Diskriminierung setzt sich fort.

„Dignitas infinita – unendliche Würde“ – unendlich würdelos!

Am 8. April 2024 legte das vatikanische Dikasterium für die Glaubenslehre dann die lange erwartete und von Papst Franziskus gebilligte Erklärung „Dignitas infinita“ vor.

Trotz einiger durchaus positiver Aspekte finden sich weiterhin diskriminierende und queerfeindliche Passagen, die an der bisherigen Lehrmeinung festhalten.

Spricht die Glaubenskongregation von der unendlichen Würde („Dignitas infinita“), dann wäre dies in einer anderen Welt und Kirche durchaus Anlass zu einem vorsichtigen Optimismus. Nicht aber hier: Zwar wird die Würde betont und es wird festgehalten, sie sei als ontologische Würde, die jede Person aufgrund ihrer Existenz in sich trage, unverlierbar. Dass sie aber gefährdet sei, und zwar als sittliche (freiheitliches Handeln), als soziale (Bedingungen des Lebens) und existenzielle (weil der Mensch krank oder persönlich beeinträchtigt ist), sollte angesichts der Argumentation, der Ort der Würde sei der vom Schöpfer gegebene Leib, aufhorchen lassen.

Der Mensch also erschaffe seine Natur nicht, er besitzt sie als Geschenk. Spätestens jetzt wissen queere Katholik*innen auch ohne weitere Lektüre der Erklärung, wie diese weitergeht. Schon ganz zu Beginn wird „der einzigartige und herausragende Wert jeder Frau und jedes Mannes, die in dieser Welt existieren“, betont. Die binäre Wortwahl markiert also schon im zweiten Absatz, worauf alles wieder hinausläuft: Der Mensch ist demnach von Gott ausschließlich als Mann und Frau geschaffen, in Komplementarität einander zugeordnet. Er habe seine Würde genau von dort: in der Erschaffung, mit genau dieser Natur. Die Festlegung auf zwei Geschlechter wird im Text denn auch als „schönste und mächtigste Differenz“ gepriesen.

Es ist klar, worum es geht: Würde gibt es in diesem binären Konzept nur als Mann und Frau und zwar von der Empfängnis an. Diese Differenz dürfe nicht aufgehoben werden: weder durch die „ideologisierende Kolonisierung“ der „Gender-Theorie“, nach der alle Unterschiede aufgehoben werden müssen, noch durch geschlechtsangleichende Maßnahmen, die als „Geschlechtsumwandlung“ betitelt werden, es sei denn es liegt eine „anatomische Intersexualität“ vor.

Dass dieses Papier wichtige Themen anspricht, dafür aber für den sexuellen Missbrauch gerade einmal in acht Zeilen ohne jede vertiefende Selbstkritik abhandelt, um sich dann zu der Wertung zu versteigen, sexuellen Missbrauch als eine gefühlte Verletzung der Menschenwürde zu beschreiben, lässt positive Ansätze schal und unglaubwürdig erscheinen.

Für queere Menschen und ihre Allies ist dieses Dokument ein weiterer Baustein von würdeverletztendem Verhalten seitens der katholischen Kirche. Nach wie vor werden gegenwärtige humanwissenschaftliche Erkenntnisse nicht aufgenommen.

Zusammenfassend lässt sich sagen: „Knapp vorbei ist auch daneben“. Die Menschenrechte macht die Erklärung „Dignitas infinita“ nicht wirklich stark, wenn sie sie nur nach außen einfordert, aber nicht nach innen. Von dem offenen Haus für alle, welches Papst Franziskus gerne beschreibt, bleibt die katholische Kirche nach dem nun veröffentlichten Schreiben weiterhin meilenweit entfernt. Aus queerer Perspektive lesen sich die vorgelegten Regelungen aber als eine Fortsetzung der bestehenden Diskriminierung.

 

Zum Schluss: Aufstehen und Auferstehen

#OutInChurch hat für den Verfasser eine wichtige spirituelle Dimension. Jedes Coming-out ist intensiv, kräftezehrend und fordernd. Häufig überfordert es sogar die Kräfte des Einzelnen. Gelingt es aber, gibt es ein Davor und ein Danach. Das Aufstehen, der Aufbruch in jenes Leben, für das Gott uns schuf, gleicht so in gewisser Weise einem Auferstehen – dem, woran wir als Christen zutiefst glauben.

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Über den Text und den Verfasser:

Zuerst erschienen im Stadtmagazin Kathja 1-2022 mit aktuellen Ergänzungen in 4-2024.

Rainer Teuber, geboren 1968 in Essen, ist seit 1996 bei der katholischen Kirche beschäftigt. Er verantwortet am Essener Dom und dessen Schatzkammer die Museumspädagogik und den Besucher-service. Er ist schwul und seit 2004 mit seinem Mann Karl-Heinz verheiratet. Privat sind beide in der katholischen Gemeindearbeit engagiert. Teuber ist Protagonist in der ARD-Doku "Wie Gott uns schuf - Coming out in der katholischen Kirche", Mitglied beim "Runden Tisch Diversity" im Bistum Essen und Mitwirkender in der Arbeitsgruppe "Sexuelle Identität und Sexualmoral" des Bistums Essen. Er ist Mitorganisator von #OutInChurch und Mitwirkender bei #Liebegewinnt. Für sein Engagement in beiden Initiativen zeichnete die Münchener „Prout at work“-Stiftung ihn im Juni 2022 und 2023 als „PROUT Performer“ aus.

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